Forenthema: Gesundheitsvorsorge – Prävention – Krankheiten
Forentitel: Erkrankungen der Knochen, der Gelenke und des Bewegungsapparates
Beitrag: Infektion Hüft TEP durch propioni acnes / Verlust Glutaeus minimus und medius
Autor Frage an den Experten
Frau Stephanie Helbich vom 18.10.2018 17:22 Uhr

Hallo :-)

Im Jahr 2009 bekam ich (60) links und rechts eine Hüft TEP (geboren mit Hüftdysplasie, Umstellungsosteotomien beidseits mit 19/20).

Ab ca. 2012 bekam ich links im Trochanter major immer wieder Schleimbeutelentzündungen, die regelmäßig mit Ibuprofen behandelt wurden. Im Februar diesen Jahres war es mal wieder so weit. Zu der Zeit hatte ich eine andere Ärztin, die leider auch Rheumatologin ist und der Meinung war, ich hätte eine rheumatoide Arthritis. Trotz meiner mehrfachen Hinweise, dass es sich hier nicht um Rheuma handelt, sondern der Schmerz aus der Hüfte kommt, wurde ich mit hohen Dosen an Cortison behandelt, bis ich heftig "aufgemuckt" habe und vehement darauf hinwies, dass das Problem in der Hüfte liegt. Nach einem Ultraschall dann sofortige Klinkeinweisung. Am 12. Februar bin ich dann in unserem Klinkum in der Notaufnahme gelandet mit bereits septischem Nierenversagen.

Noch am selben Tag wurde ich operiert. Hierbei wurde in dieser ersten OP die Hüft TEP entfernt und "große Wäsche" gemacht. Laut OP-Bericht löste sich hierbei ein Teil des proximalen Femurs. Am Ende: Verschluss der cranialen transglutäalen Inzision mit Refixation des Glutaeus minimus. Adaption der in Faserrichtung gespaltenen Muskulatur mit Refixation des Glutaeus medius sowie des Vastus lateralis.

Bei der 2. Reinigungs-OP eine Woche später stellte sich heraus, dass der Glutaeus medius retrahiert war unddas im Trochanterbereich liegende Nahtmaterial postoperativ ausgerissen und der Trochanter majof im proximalen Anteil dorsal und medial frakturiert ist.

Bei der 3. OP weitere 2 Wochen später ist die Muskelschicht größtenteils offen, nur am proximalen und distalen Pol nahttechnisch geschlossen. Zentral verbleibt wie vorbestehend eine deutliche Muskellücke, hier ist die Schicht nicht rekonstruierbar. Es wurde ein Spacer eingesetzt.

2 Monate später wurden Biopsien entnommen, um die Keimfreiheit abzufragen. Da keine Keime mehr nachweisbar waren, erhielt ich 2 Wochen später eine neue TEP. Bei dieser letzten OP wurde festgestellt, dass der Trochanter major in einer straffen Pseudarthrose am proximalen Oberschenkel eingebunden ist. Eine Restbeweglichkeit des Fragmentes besteht jedoch nach wie vor bei fehlender knöcherner Konsolidierung.Der Glutaeus medius ist stark ausgedünnt bzw. vernarbt und Anteile des Glutaeus minimus sind nur noch sporadisch vorhanden. Eine Pseudarthrosenresektion und knöcherne Rekonstruktion erscheint aufgrund der Konfiguartion der Fragmente nicht erfolgversprechend.

So weit, so gut. Leider erhielt ich diese Information erst, als ich die OP-Berichte fürs Versorgungsamt brauchte, in den Entlassbriefen war hiervon keine Rede. Viele Wochen habe ich mich gewundert, dass ich plötzlich zu doof bin, geradeaus zu laufen, denn nun kippe ich beim Laufen ständig nach links. Die behandelnden Ärzte haben hervorragende Arbeit geleistet, dafür bin ich sehr dankbar, denn es hätte schlimm ausgehen können.

Meine Frage jetzt, die mir bisher niemand so recht beantworten wollte: Besteht denn überhaupt eine Chance, dass diese Muskelreste sich wieder erholen bzw. neu aufbauen lassen? Das Laufen ist zur Zeit immer noch nur mit Unterarmgehstützen mlglich und das auch nicht wirklich weit, da ständige Rückenschmerzen (auch durch Blockaden der ISG) meinen Vorwärtsdrang doch sehr ausbremsen. 

Fürs Lesen bis hierher herzlichen Dank und einen schönen Tag noch!! Stephanie

 

Herr Dr. Frank Schade Antwort vom 22.10.2018 10:00 Uhr

Sehr geehrte Anfragende/Stephanie,
es ist sehr bedauerlich von so einem unglücklichen - aber am Ende noch einigermaßen glimpflich ausgegangenen -
Verlauf zu hören! Trotz des schon detailliert beschriebenen Verlaufes bleiben noch Restfragen offen.
Soweit möglich, versuche ich Ihre Fragen zu beantworten.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass ein Infekt niemals mit 100% tiger Sicherheit verschwunden ist.
Fieber, Schwellungsgefühl im OP-Bereich etc. sollte immer Anlaß zu einer Fokussuche sein, weil Infekte dort auch nach vielen Jahren wieder aufflammen können.

Leider besteht keine Chance, dass sich die verloren gegangene Muskulatur wieder aufbaut, die verbleibene kann nur gestärkt werden. Sofern die Entzündungszeichen ( die immer noch regelmäßig in z.B. 3-Monatsabständen bis auf weiteres geprüft werden sollten) wie BSG und CRP unauffällig sind, kann mit Krankengymnastik und gezielt mit Muskelaufbau ( Muskelstimulationgerät oder ggfs. auf EMS ) hauptsächlich der Gluteus medius gestärkt werden.Der M.gluteus minimus unterstützt weitestgehend des M. glut. med. . Der M. gluteus medius stabilisiert als wichtigster Muskel das Gehen und Laufen und verhindert das Abkippen des Beckens zur Spielbeinseite.
Wenn Sie also auf der kaputten Seite stehen wollen, kann der Rest des Gluteus medius das Becken nicht gerade halten und das Becken kippt auf die nicht operierte Seite ab.Dadurch entsteht ein sog. Watschelgang, der wiederum auf die Kreuzdarmbeinfuge häufig blockierende und schmerzauslösende Wirkung hat. Sehr häufig entstehen dabei schmerzhafte Triggerpunkte in der Muskulatur des Beckens als auch der Lendenwirbelsäule und in der das Hüftgelenk steuernden Muskulatur.

Dringende Empfehlung: Egal wie groß der Schmerz sein sollte: KEIN CORTISON MEHR für solche Beschwerden!
Suchen Sie sich einen Krankengymnasten, der sich auch mit Gerätetraining,Muskelaufbau mit Stromanwendung ( z.B.  EMS) auskennt und einen ärztlichen Anwender der Methode FDM ( Fasciendistorsionsmodell nach Typaldos) .
Hier sollten die Triggerpunkte des verbliebenen Gluteus medius, ggfs. auch minimus, des Piriformis und bei Bedarf auch die beiden Enden des M. pectineus und auch bei Bedarf der M. quadratus lumborum behandelt werden.
Um ggfs. die Blockierungen der Kreuzdarmbeinfuge zu minimieren könnte z.B. bei längeren Wegstrecken die Verwendung einer stabiliserenden Orthese überlegt werden ( z.B. Lumbamed sacro der Fa. Medi oder Sacroloc der Fa. Bauerfeind).

Ob  gffs. mittelfristig in diesem relativ jungen Alter Musektransferoperationen möglich oder sinnvoll sind, sollte hoch spezialisierten Zentren einer Universität überlassen werden. Bevor nicht mindestens über ein Jahr 3-4 -Stunden pro Woche (!!!) geübt und intensiv therapiert wird, macht es keinen Sinn, darüber nachzudenken.
Ich hoffe, ich habe die Frage verständlich und ausreichend nachvollziehbar erklärt zu haben.

Ich wünsche Ihnen viel Energie und Durchhaltevermögen und Erfolg bei der Auswahl der richtigen Therapeuten.

Dr. Frank A. Schade
Facharzt für Orthopädie - Sportmedizin

Frau Stephanie Helbich Antwort vom 22.10.2018 12:18 Uhr

Sehr geehrter Herr Dr. Schade,

ganz herzlichen Dank für Ihre uasführliche Beantwortung meiner Frage!!!! 

Einen schönen Tag noch und liebe Grüße aus Osthessen,

Stephanie Helbich

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