Forenthema: Gesundheitsvorsorge – Prävention – Krankheiten
Forentitel: Leber-, Gallenblasen- und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen
Beitrag: Pankreasinsuffizienz
Autor Frage an den Experten
Herr Michael vom 22.07.2007 14:47 Uhr
Mein Name ist Michael und ich bin 26. Im Jahr 2003 hatte ich ein Hodenseminom mit Op und Bestrahlung im Linearbeschleuniger Lymphknoten bds. Paraaortal bis 27 Gy GD, 1.8 Gy ED, 10 MV Photonen in 15 Sitzungen. Ca. 1 Jahr später wurde eine Pankreasinsuffizienz nach einer Stuhluntersuchung festgestellt (Elastase unter 15 ug/g und Fett im Stuhl) Ich habe jeden Tag 1-2 mall Durchfall, oft mit Schleim. Nach Mahlzeiten muss ich öfters aufstossen auch Stunden später rieche und schmecke ich noch die Nahrung beim aufstossen. Magenspiegelung,Darmspiegelung,Ct,Mrt, habe ich deswegen hinter mir allerdings alles ohne Befund. Eine Lactose oder Gluten intolleranz besteht auch nicht. Diät,verschieden Säurehemmer und Enzym Tabletten in allen dosierungen bringen kein erfolg oder besserung. Das einzige was hilft ist Loperamid (nehme es trotzdem selten und ungern)Schmerzen hab ich keine. Mein Arzt weiss leider nicht mehr weiter. Kann durch die Bestrahlung eine Pankreasinsuffizienz entstanden sein ? Was kann mann noch in betracht ziehn ? Welche Medikamente könnten zur Linderung führen ? mfg
Herr Dr. med. Werner G. Gehring Antwort vom 22.07.2007 15:45 Uhr

Lieber Michael, nach einer solchen Bestrahlung ist neben einer Pankreasinsuffizienz auch eine Strahlenbedingte Enteritis möglich - siehe dazu unter http://www.gesundheits-lexikon.com//index.php?artid=4108&mode=showarticle&

Da Nahrungsfette nicht ausreichend aufgenommen werden können, gelangen die nicht resorbierten Fette sowie Fettspaltprodukte in tiefere Darmabschnitte. Dort beschleunigen sie über eine Stimulation der Peristaltik die Darmpassage und lösen im schlimmsten Fall schließlich  eine Stearrhö - chologener Fettstuhl aus [2.1.]. Indem die Gallensalze im Dickdarm ebenfalls die Kontraktionswellen fördern und die Wasserrückresorption aus dem Darm hemmen, verstärken sie den Fettdurchfall [2.1.]. Durch die erhöhten Fettverluste über den Stuhl gehen auch vermehrt die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K sowie essentielle Fettsäuren verloren [2.1.]. Je nach Ausmaß der Fettresorptionsstörung kommt es zur einer negativen Energiebilanz und damit zur Gewichtsabnahme [2.1.].
Neben Steatorrhöen kann es infolge der eingeschränkten Dünn- und Dickdarmfunktion zu wässrigen Durchfällen kommen. Patienten mit dieser Symptomatik sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, hohe Mengen an Flüssigkeit, wasserlöslichen Vitaminen, wie Vitamin C, B1, B2, B6, B9 und B12 sowie Elektrolyten, wie Calcium, Magnesium, Kalium und Natriumchlorid zu verlieren [1]. Nicht selten entwickeln sich aus vermehrten Vitalstoffverlusten spezifische Mangelsymptome [2.1.]. 


Ernährungs-Empfehlungen 

Bei mäßig ausgeprägten Resorptionsstörungen infolge einer eingeschränkten Dünn- und Dickdarmfunktion sollten vor allem

  • Wasserlösliche Vitamine - Vitamin B1, B2, B6, B9, B12, C
  • Fettlösliche Vitamine - Vitamin A, D, E, K
  • Mineralstoffe, wie Calcium, Magnesium, Kalium, Natriumchlorid und Phosphor
  • Spurenelemente, wie Eisen, Zink, Selen, Kupfer und Molybdän
  • Essentielle Fettsäuren - Linolsäure, Omega-3-Fettsäuren
  • Proteine

erhöht über die Nahrung aufgenommen beziehungsweise substituiert werden. 

Insbesondere kann eine ausreichende Aufnahme von Vitamin A, E, Zink und Omega-3-Fettsäuren den Entzündungsprozess verringern, die Symptome lindern und die Schleimhautregeneration fördern [3.3.]. Eine zusätzliche Zufuhr von dem Substrat Glutamin, reduziert bei der Strahlenenteritis das Ausmaß der äußerlichen und funktionellen Schleimhautveränderung. Glutamin spielt im Energiestoffwechsel der Dünndarmschleimhaut eine wesentliche Rolle, da es eine wichtige Energiequelle für die Darmzellen ist. Außerdem kann Glutamin Schleimhautbeschädigungen entgegenwirken [2.1.].

Ist die Malabsorption jedoch infolge einer akuten Schleimhautschädigung schwerwiegend, kann die Aufrechterhaltung eines optimalen Ernährungszustandes Schwierigkeiten bereiten. In solchen Fällen muss eine dauerhafte parenterale Ernährung in Erwägung gezogen werden, um den Nähr- und Vitalstoffbedarf ausreichend zu decken [2.1.]. 

Bedeutung der MCT-Fette1 für die diätetische Behandlung der Steatorrhö und des enteralen Eiweißverlustsyndroms
Zur Ernährungstherapie sollte die Fettzufuhr eingeschränkt werden - meiden von fettreichen Nahrungsmitteln und Koch- sowie Streichfett. Butter, Margarine und Öl - langkettige Fettsäuren - sollten durch mittelkettige Triglyzeride - MCT-Fette - ersetzt werden [2.1.].

  • MCT werden unter dem Einfluss des Enzyms Lipase der Bauchspeicheldrüse schneller im Dünndarm gespalten als LCT-Fette2
  • Aufgrund ihrer besseren Wasserlöslichkeit kann der Dünndarm MCT-Fette leichter resorbieren
  • Für die Resorption von MCT ist die Gegenwart von Gallensalzen nicht erforderlich
  • MCT-Fette können sowohl bei einem Mangel beziehungsweise Fehlen von Lipase und Gallensalzen im Darminneren noch ausgenutzt werden
  • Der Dünndarm hat eine größere Resorptionskapazität für MCT als für LCT
  • Bindung der MCT-Fette an die Transportlipoproteine Chylomikronen ist nicht nötig, da mittelkettige Fettsäuren über das Pfortaderblut und nicht über die intestinalen Lymphe abtransportiert werden
  • Durch den Abtransport mit dem Pfortaderblut steigt während der Resorption der MCT der Lymphdruck nicht an und kommt es zu einem geringeren Lymphaustritt ins Darminnere, wodurch der intestinale Eiweißverlust verringert wird - Anstieg der Plasmaproteine
  • Bei der Resorption langkettige Fettsäuren steigt hingegen der Lymphdruck und somit der Übertritt von Lymphe in das Darminnere - Lymphstauungen führen zu einem hohen Verlust von Plasmaproteinen
  • MCT werden schneller im Gewebe oxidiert als LCT
  • Mittelkettige Triglyzeride vermindern den Wasserverlust mit dem Stuhl, indem sie die Gallenblasenkontraktion gering stimulieren und damit eine niedrige Gallensalzkonzentration im Darminneren bewirken - Reduzierung chologener Diarrhöen
  • MCT-Fette verbessern den allgemeinen Ernährungszustand [2.2.]

Der Ersatz von LCT durch MCT führt in der Folge zur Verringerung der Fettausscheidung über den Stuhl - Linderung der Steathorrö - und des enteralen Eiweißverlustsyndroms.

MCT-Fettsäuren sind in Form von MCT-Margarine - eignet sich nicht zum Braten - sowie von MCT-Speiseölen - als Kochfett verwendbar - erhältlich. Der Übergang auf die mittelkettigen Triglyzeride sollte stufenweise erfolgen, da sonst Schmerzen im Bauchbereich, Erbrechen und Kopfschmerzen auftreten können - Ansteigen der Tagesmenge an MCT von Tag zu Tag um etwa 10 Gramm bis zum Erreichen der endgültigen Tagesmenge von 100-150 Gramm. MCT-Fette sind hitzelabil und sollten nicht zu lange und nie über 70 °C erhitzt werden [2.2.].

Zusätzlich sollte auf die Deckung des Bedarfs an den fettlöslichen Vitaminen A, D, E sowie K und essentiellen Fettsäuren, wie Omega-3- und -6-Verbindungen, geachtet werden. Bei Gabe von MCT werden fettlösliche Vitamine ausreichend resorbiert [2.2.].

 

Des Weiteren empfehle ich die Einnahme von Probiotika - siehe dazu unter http://www.vitalstoff-lexikon.de/Weitere-Vitalstoffe/Probiotika/

 

Die genannten Ernährungs-Empfehlungen werden Ihnen sicherlich helfen.

 

Beachten Sie auch, dass Sie neben Ihrer Nahrung auch eine für Sie geeignete Nahrungsergänzung zu sich nehmen, da Sie sich in Ihrem besonderen Falle nicht ausreichend durch die Zufuhr von Nahrungsmitteln mit allen notwendigen Vitalstoffen versorgen können.

 

Ich wünsche Ihnen alles Gute.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. med. Werner G. Gehring

 

 

 

Herr Michael Antwort vom 23.07.2007 00:33 Uhr
Hallo Herr Dr. med. Werner G. Gehring. Besten Dank für Ihre detaillierte Antwort sowie die empfhelungen und die damit erbrachte Zeit. Bisher ist Ihr beitrag am hilfreichsten für mich, kein Gastrointerologe oder Arzt konnte/hat mich jemals so ausführlich über die erkrankungen und deren möglichen Therapien aufklären können. Ich bedanke mich nochmal herzlichst bei Ihnnen und werde auch Ihren emphelungen folgen. Michael
Herr Dr. med. Werner G. Gehring Antwort vom 23.07.2007 08:39 Uhr

Dankeschön für Ihre netten Worte - lieber Michael - das kommt selten vor. Die meisten Forumbesucher bedanken sich nicht, sondern nehmen den Rat als ewas Selbstverständliches an. Jeder Kollege/Kollegin, der/die hier im Forum mitarbeitet, arbeitet ehrenhalber - allen gebührt Dank.

Mit herzlichen Grüßen

Dr. med. Werner G. Gehring

PS: Senden Sie mir bitte gegebenenfalls per e-Mail Ihre Telefonnummer, dann kann ich meine Ausführungen mündlich erweitern. Schreiben Sie Ihre Mail bitte an w.g.gehring@eusana.de

Herr Michael Antwort vom 04.10.2007 23:06 Uhr

Hallo Dr. med. Werner G. Gehring,

seit Ihrer Antwort bezüglich meiner Pankreasinsuffizienz bin ich Ihren empfhelungen gefolg, ich bin auf Mct umgestiegen und habe alle Vitamine und Stoffe zusätzlich eingenommen und eine Diät gehalten.

Leider alles ohne erfolg,meine beschwerden werden einfach nicht besser,ich habe seit ca. 2 Wochen sehr sehr starke Blähungen die sehr Faulig riechen und eigentlich nicht auszuhalten sind , der Stuhl ist kaum geformt und total Gelb.

Ich habe auch mal Colestyramin 20 (Lipocol-Merz Kautabletten ) ausprobiert , doch auch ohne Besserung.

Gibt es vielleicht in meiner gegend Kliniken die sich mit soetwas beschäftigen die mir helfen könnten? (Ich komme aus dem raum Kiel)

Oder was könnte ich noch unternehmen ?

Mit freundlichen Grüssen

Michael

Herr Dr. med. Werner G. Gehring Antwort vom 05.10.2007 08:29 Uhr
Lieber Herr Michael, es tut mir leid, dass ich Ihnen mit meinen Ratschlägen nicht helfen konnte.
Haben Sie auch ausreichend Pankreasenzyme eingenommen?
Pankreasenzyme sind physiologische (im Körper produzierte) Stoffe wie Amylase und Lipase, die von der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) gebildet werden. Sie werden in den Darm abgegeben und dienen dort zur Spaltung der mit der Nahrung aufgenommenen Grundnahrungsstoffe Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette. Bei einer Pankreasinsuffizienz müssen sie von außen zugeführt werden. Bekannteste Vertreter sind Pankreatin und Meteozym.
Haben Sie zudem die empfohlenen Probiotika eingenommen - zur "Normalisierung" der Darmflora?
Da ich mich in Ihrer Region nicht auskenne, kann ich keine Empfehlung bzg. einer Klinik geben - jedoch halte ich es für notwendig, dass Sie umgehend einen Gastroenterologen aufsuchen.
Ich werden Ihren Fall der Expertenrunde vorstellen - Sie hören dann gegebenfalls noch von weiteren Kollegen.
Ich wünsche Ihnen alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. med. Werner G. Gehring

PS: Bei der Behandlung mit Colestyramin ist zu beachten: In Einzelfällen kann es bei vorbestehender Steatorrhoe (Fettstühle) zu deren Verstärkung und damit zu einer verminderten Resorption fettlöslicher Vitamine kommen.
Herr Dr. med. Frank Hertrich Antwort vom 05.10.2007 13:46 Uhr

Hallo!

Prinzipiell ist hier zunächst die Dosierung der Pankreasenzym-Präparate zu überprüfen; bei derartig niedriger Pankreas-Elastase ist sicherlich eine hohe Dosis notwendig. Dann sollte auf jeden fall eine ausreichende Ballaststoffzufuhr stattfinden, damit der Stuhl geformt wird: Hier ist z.B. "Flosa" oder noch einfacher "Weizenkleie" zu empfehlen; auch hier ist die Menge ausschlaggebend: 2-3 Beutel bzw mindestens 5 gehäufte Esslöffel.

Die Frage nach einer spezialisierten Klinik kann erst beantwortet werden, wenn ich weiss, in welcher gegend Sie wohnen.

 

mfg

FHertrich



Dr. med. Frank Frieder Hertrich
Innere Medizin - Angiologie • Psychotherapie, Ernährungsmedizin, Reisemedizin


Am Bahnhof 6
D - 66822 Lebach
Telefon 49 6881 52008
Telefax 49 6881 52342
e-Mail DrHertrich@DrHertrich.de
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Herr Michael Antwort vom 05.10.2007 16:02 Uhr

Hallo, Dr. med. Werner G. Gehring und Dr. med. Frank Frieder Hertrich,

besten Dan für Ihre schnellen Antworten und Empfhelungen.

Mir wurde immer empfholen Ballaststoffreiche Nahrung zu vermeiden,vielleicht habe Sie aber recht und ich sollte das mit den Ballaststoffen probieren ( Ich habe schon ewigkeiten keine eingenommen).Ich werde die Enzymmenge erhöhen und Weizenkleie ausprobieren,sollte ich die Kleie Roh oder gekocht zu mir nehmen ?

Nochmals besten Dank an Sie beide und alles gute auch an Sie,ich bin sehr Dankbar darüber das es dieses Experten-Forum gibt und hoffe das es auch noch lange bleibt.

 

Mit freundlichen Grüssen

Michael

Ps. ich wohne in der gegend Kiel

Herr Dr. med. Frank Hertrich Antwort vom 05.10.2007 16:15 Uhr

Hallo; einfach ungekochte Weizenkleie vom Drogerie-Discounter - idealerweise kombiniert mit Probiotica ( Actimel o.ä. oder Eucell probiot)

mfg

FHertrich



Dr. med. Frank Frieder Hertrich
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